Geschichte der Bruderschaft

Ein Sterberegister als Geburtsurkunde

Die Schützenbruderschaft St. Hubertus Müschede

von Rüdiger G. Wisse

 

Es ist das 15. Jahrhundert, die Zeit des ausge­henden Mittelalters, der sich verbreitenden Re­naissance in Deutschland. Ein Jahrhundert, ge­prägt durch große Ereignisse und Menschen, die eine nachhaltige Wirkung auf die nachfolgende Zeit haben, für das Abendland und für die Welt­geschichte: Das Konstanzer Konzil beendet das Kirchenschisma, der Reformator Johann Hus und Johanna von Orleans sterben auf dem Scheiterhaufen, die Hexenverfolgung beginnt. Johann von Gutenberg "erfindet" die Buchdruckerkunst, Leonardo da Vinci entwirft Flugzeuge, Unterseeboote und vollendet in Mailand sein gro­ßes Werk "Das Abendmahl". Christoph Kolum­bus "entdeckt" Amerika. 

 

Es wird in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts gewesen sein, als sich in der Müscheder Mark einige Personen zur Gründung einer Bruder­schaft unter dem Schutz des Heiligen Hubertus zusammenfinden. Der genaue Zeitpunkt und die Gründer sind unbekannt, den es gibt weder ge­sicherte mündliche noch schriftliche Überliefe­rungen, die uns hierzu klare Auskünfte geben könnten. Daher ist auch die Ursache zur Grün­dung immer wieder Anlass zu vielfältigen Spe­kulationen. Es sind drei Thesen, die regelmäßig ins Spiel gebracht werden: 1. die Bruderschaft sei aus einer Rosenkranzvereinigung des 12./ 13. Jahrhunderts hervorgegangen 2. sie wäre als Jagdgesellschaft adliger Herren gegründet wor­den und 3. die Bruderschaft wurde zu religiösen Zwecken, zur höheren Ehre Gottes und zur Ab­haltung des dörflichen Gottesdienstes ins Leben gerufen.

 

These 1 ist schon aus rosenkranz-historischer Sicht nicht haltbar. Der Rosenkranz wurde der Legende nach dem Heiligen Dominikus (um 1170 bis 1221) von der Gottesmutter Maria übergeben. Es dauerte schon gut zwei Jahrhunderte, bis der Rosenkranz durch den Bettelorden der Domini­kaner Einzug in den religiösen Kult in Deutsch­land fand. Daher kann auch die Zeitangabe 13. Jahrhundert nicht stimmen. Ferner spricht gegen die These, dass die Dominikaner vornehm­lich in Städten wirkten und nur selten auf das Land kamen. Hier benötigten sie zum Betteln die Ge­nehmigung der örtlichen Geistlichen, die schon aus Eigennutz diese wohl nur höchst selten er­teilten. Es ist daher auszuschließen, dass ein Bettelmönch sich ausgerechnet nach Müschede verirrte und dort eine Rosenkranzgemeinschaft gründete. Auch das NW Staatsarchiv und das Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte in Münster, bei denen intensive Nachforschungen betrieben wurden, haben keine Nachweise für die­se Theorie finden können.

 

Da der heilige Hubertus auch als Patron der Jä­ger verehrt wird, ist die zweite These auf den er­sten Blick einleuchtend. Das im Kreisarchiv des Märkischen Kreises in Altena aufbewahrte Sterbe­register der Müscheder Bruderschaft nennt in den über 300 Jahren geführten Eintragungen jedoch nur sechs Adlige aus der Umgebung von Müschede. Da die Jagd in dieser Zeit ein beson­deres Privileg adliger Familien und Grundherren war, kann die Bruderschaft schon aufgrund sei­ner bürgerlichen und bäuerlichen Mitglieder gar nicht in Verbindung zur Jagd gestanden haben.

 

Für die dritte These gibt es schriftliche Hinwei­se, wenn auch erst 1850. In der Erklärung zur Neugründung vom 9. Juni 1850 ist zu lesen: Seit Jahrhunderten bestand in Müschede eine zu re­ligiösen Zwecken errichtete Gesellschaft unter dem Namen: Hubertusbruderschaft. Ihr Haupt­zweck war der gemeinschaftliche öffentliche Got­tesdienst an bestimmten Tagen und die Förde­rung der brüderlichen Liebe. Auch die erneuer­ten Statuten von 1767 nennen als Ziel die grö­ßere Ehre Gottes und des Heiligen Hubertus und die Erhaltung der brüderlichen Einigkeit. Ob in den Jahren 1767 oder 1850 noch "Gründungsunterlagen vornanaen waren ist unoeKanm. Man war jedoch dem Jahr 1450 erheblich nä­her, als wir es heute sind, und es mögen sich daher auch noch genauere mündliche Überlie­ferungen bis dahin erhalten haben, vielleicht sogar schriftliche.

 

Wilhelm Voss-Gerling schreibt in dem 1989 von der Müscheder Kolpingsfamilie herausgegeben Buch "Müschede - Eine Chronik" von einem Originalverzeichnis, welches 1937/38 noch exi­stierte und er selber habe einsehen können. Auf der Titelseite stand das Wort "Confraternitas", was auf deutsch Bruderschaft heißt. Nach ka­tholischem Verständnis ist eine Bruderschaft ein kirchlicher Verein, der nicht nur Werke der Fröm­migkeit und Caritas, sondern besonders auch die Förderung des öffentlichen Gottesdienstes zum Zweck hat (CIC can 707). Wenn das erwähnte Verzeichnis wirklich das Original war, so trägt die Bruderschaft diesen Namen schon von seinem Beginn an.

 

Alles dies beweist daher zwingend die Richtig­keit der 3. These, eben die Gründung zu religiö­sen Zwecken. Dass man sich den heiligen Hubertus als Schutzpatron aussuchte, könnte auf eine schon vorhandene Hubertuskapelle hindeu­ten, deren Existenz allerdings erst 1484 schrift­lich nachzuweisen ist. Die Hubertusverehrung, die aus den Ardennen kam, erfolgte bei uns in Einzelfällen schon im 14. Jahrhundert. Im gro­ßen Umfang breitete sie sich aber erst mit dem Jahr 1444 aus, als Herzog Gerhard von Jülich als Dank für seinen Sieg über den Herzog von Geldern einen Hubertusorden stiftete. Inwieweit dies die Namensgebung in Müschede beeinflusst hat ist nicht überliefert.

 

Wenn die Bruderschaft von Müschede das Jahr 1450 als ihr Geburtsjahr benennt, so liegt das an zwei kleinen Büchern im Format 33 x 10,5 x 0,5 cm und 21 x17x 3,5 cm. Das Kreisarchiv des Märkischen Kreises, Altena, ist Hüter dieser Kost­barkeiten, die uns bekannt sind als „Das Sterbe­register der Bruderschaft St. Hubertus Müschede". So ist auf der ersten Seite nieder­geschrieben; Verzeichnüs deren so auf der uhr,,alten Bruderschafft des Heiligen Humperti patron,,nen der Capellen zu Mü,,schede Gottseelich von Anno 1450. bis hie hin verstor­ben. Beide Bücher stammen aus dem Nachlass des Johann Suibert Seibertz (+1871). 

Wie diese allerdings in seinen Besitz kamen, ist heute nicht mehrnachzuvollziehen. Seine Erben verkauften um 1900 seinen großen Nachlass und Landrat Dr. Fritz Thommee erwarb einen Teil davon, un­ter anderem das Sterberegister. Beide Bücher wurden vor mehreren Jahren in der Restaurierungswerkstatt des Westf. Archivamtes, Münster, von Grund auf restauriert. Es mag für manche eine Enttäuschung sein zu erfahren, dass beide Bücher keine Originale sind. Anhand der Schreibweise und der Buchstaben muss man annehmen, dass sie etwa 100 Jahre später geschrieben wurden. Der Schreiber muss auf Originalunterlagen, in welcher Form auch immer, zurückgegriffen haben. Vermutlich hat er die Namen der verstorbenen Schützenbrüder so eingetragen, wie er sie bekommen hat. Denn der erste Eintrag fängt nicht um 1450 an, sondern beginnt mit Wohlerwürdige Herr Wilhelm Fezeken (Freseken) Pastor (vixit 1499). Das gan­ze Buch ist nicht chronologisch geschrieben, sondern die Daten springen von einem Jahr zum anderen. Auch das spricht dafür, dass alle Ein­tragungen nachträglich, also nicht zum Zeitpunkt des Geschehens, gemacht wurden. 

 

Gerade das zweite Buch beweist die Eintragun­gen zu einem späteren Zeitpunkt. So heißt es auf Seite 1: Wiederhergestelltes Register in Jahre 1729 per Bruder Caspar Leine, Pastorin Husten, aufs Neue niedergeschrieben im Jahre 1764 un­ter Bruder Cunibert Bering Pastor zu Husten. (Originaleintragung in lateinisch). Der letzte dort verzeichnete Eintrag stammt aus dem Jahr 1825 und nennt Henrick Hake gt. Petersmann. Es ist übrigens das Jahr, in dem die Bruderschaft we-

gen simicnen venans vor aer zwangsweisen Aut­lösung durch den preußischen Landrat steht. Wie schon gesagt, sind beide Bücher nicht in chronologischer Abfolge geschrieben. Teilwei­se überschneiden sie sich mit den Eintragun­gen. In jedem Falle aber ergänzen sich die In­halte zu einer Einheit.

 

Wichtig für die Bruderschaft ist der Hinweis auf 1450 im ersten Register. Man darf davon aus­gehen, dass die Bruderschaft schon vor 1450 gegründet wurde. Aber dieses Jahr ist nachweis­bar. Nach einer uns vor liegenden Ehrentafel der Historischen St. Hubertus Schützen­bruderschanen ist die Müscheder Bruderschaft damit die achtälteste in Europa. Es mutet schon kurios an, dass ausgerechnet ein Sterberegister zur Geburtsurkunde wird. Die Geschichte der Bruderschaft und der Hubertuskapelle in Müschede ist eng miteinan­der verbunden. Es ist daher nicht verwunderlich, dass in den ersten drei Jahrhunderten nach 1450 die meisten Informationen der Kapellen­geschichte zu entnehmen sind. Als Förderer und Finanzverwalter (Kapellenkässenverein) hat die Bruderschaft zusammen mit den Hüstener Geist­lichen maßgeblichen Einfluss auf die Entwick­lung der Kapelle und damit auf das kirchliche und gesellschaftliche Leben in Müschede genom­men. Die bereits erwähnte "Müscheder Chronik" der Kolpingsfamilie hat ausführlich die Geschich­ten der Müscheder Höfe nachgezeichnet. So zeigen die von Wilhelm Voss-Gerling historisch aufgearbeiteten Ausführungen zu den Höfen und zur Hubertuskapelle immer wieder die Querver­bindungen zur Bruderschaft.


Zur Müscheder Landwirtschaft gehörten ebenso wie die großen Höfe die Parzellen und Liegenschaften der Bru­derschaft. Aus deren Erlös wurde nicht nur ein

Teil der Traktemente bezahlt sondern in erster Linie die Kapelle und die Geistlichen mit ihren Gottesdiensten unterhalten. Die Nähe zwischen Bruderschaft und Kapelle fin­den wir vielfältig in Spenden dokumentiert. Stell­vertretend für die vielen heute noch urkundlich feststellbaren und nicht mehr nachzuweisenden Spenden seien hier genannt: Messkelch mit Zu­behör (1793), Zuschüsse zum Kirchenneubau von 690 Talem (1871), neue Orgel für 1850 Gold­mark (1900/01), Hubertusfiguren (1937/38 und 1998), des Weiteren gibt es unzählige kleinere Zuwendungen zur Unterhaltung und Reparatur der Kapelle.

Die Traktemente nach der Hubertusmesse wa­ren in den ersten 250 Jahren der Bruderschaft sicherlich wohl gesittete Feste. Nach 1700 je­doch wurden sie wichtiger als die Unterhaltung und Instandsetzung der Kapelle, die immer mehr verfiel. Ähnliche Verfallserscheinungen gab es auch bei der Bruderschaft, so dass es am 18. Juni 1766 zu einer Reform derselben und des Hubertusfestes kam. Der gewünschte Reformer­folg blieb aber langfristig aus. Nicht zuletzt der sogenannte "Pfeffer- oder Pfeifertanz" dürfte hierbei eine sehr unrühmliche Rolle gespielt ha­ben. Deshalb eiferte schon im Jahr 1789 der Kommissar Neesen gegen die Feiern der Müscheder Bruderschaft. In einem Bericht an den Kurfürsten in Köln schlug er vor, das Ver­mögen der Bruderschaft zu Gunsten der Schu­le einzuziehen. Auf den heftigen Einspruch der Müscheder hin geschah das aber nicht. Das sich schon länger anbahnende Unheil er­reichte die Bruderschaft dann doch noch.

 

Inzwischen hatten sich die politischen Verhältnisse grundlegend geändert. 1802 endete die 434jährige Herrschaft Kürkölns. Die Groß­herzoglich-hessische Regierung nahm das Her­zogtum Westfalen in Besitz. Doch schon 13 Jahre später erfolgte als Resultat des Wiener Kongres­ses durch die Generalakte vom 9.6.1815 der Übergang an den preußischen König. 1826 setz­te der 1. Landrat der Kreises Arnsberg, Thüsing, unter Zustimmung des Hüstener Pastors Lohne und der Gemeindevertretung die Zwangsenteig­nung und Auflösung der Bruderschaft durch. Der Grundbesitz wurde der Schule in Müschede übereignet. Damit endet erst einmal die Geschichte der Bru­derschaft.

 

Mit einer Beschwerde gegen die Regierung wandten sich 1847 die 15 noch vorhandenen Schützenbrüder an das preußische Ministerium und forderten die Rückgabe der Bruderschafts-ländereien. 1850 entschied das Ministerium zu Gunsten der Bruderschaft unter der Vorausset­zung, dass die Gemeinde den Lehrer für seinen (finanziellen) Ausfall entschädige. Dies geschah dann auch durch 16 Taler pro Jahr. Die Bruder­schaft selber verwendete nun den Ertrag aus den wiedererhaltenen Ländereien für den vierteljähr­lichen Gottesdienst und andere kirchliche Zwecke. Die Rückgabe der Ländereien war sicherlich eine der wesentlichen Voraussetzungen zur Neugrün­dung der Bruderschaft, denn man hatte damit eine gesicherte wirtschaftliche Grundlage ge­schaffen. Am 9. Juni 1850 gaben sich die 15 Schützenbrüder eine neue Satzung, deren Prä­ambel eindeutig den religiösen Ursprung der Bru­derschaft erklärt.

 

Hier muss die Frage erlaubt sein, ob es sich bei der Neugründung von 1850 nicht um eine neue Bruderschaft handelt, die lediglich den alten Na­men übernahm. Damit wäre sie auch erst 150 Jahre alt. Die Antwort muss ganz klar lauten: nein! Obwohl die alte Bruderschaft 1826 durch staatliche Behörden aufgehoben und enteignet war, hat sie aber de facto weiter existiert. Sie trat zwar nicht öffentlich in Erscheinung. Jedoch hat eine kleine Schar von Schützenbrüdern die Bruderschaft weitergeführt, was letztlich in der berechtigten Forderung nach Rückgabe der Län­dereien öffentlich wurde. Dass das Ministerium der Forderung entsprach, darf durchaus als An­erkennung der Kontinuität, die durch diese Schützenbrüder gewahrt wurde, gewertet wer­den. Auch sahen sich die 15 Neugründer ganz eindeutig in der Tradition und der moralischen und Rechtsnachfolge. Gerade die Rückgabe der Ländereien durch das Ministerium beweist die Anerkennung des Rechtsanspruches der 15 Schützenbrüder. In der Präambel der Satzung von 1850 wird sehr deutlich der Bezug zu den Zielen der alten Bruderschaft hergestellt. Es wird klar zum Ausdruck gebracht, dass diese die vor­hin genannten Zwecke entweder gar nicht oder nur teilweise mehr (habe) verfolgen können, und ist namentlich das zur Weckung und Erhaltung der brüderlichen Liebe früher alljährlich stattge­fundene Traktement seit jener Zeit ganz unter­blieben. Mit jener Zeit ist das Jahr 1826 gemeint. Man darf also die 24 Jahre von 1826 bis1850 durchaus nur als Unterbrechung der öffentlichen Aktivitäten ansehen und damit bleibt die Kontinuität der Bruderschaft seit 1450 gewahrt. 

 

Gleich nach der Neugründung traten 115 neue Mitglieder ein, also fast jeder männliche Erwach­sene des um diese Zeit 450 Einwohner zählen­den Müschede. Fast revolutionär für diese Zeit mutet an, dass auch evangelische Christen als Gäste der ansonsten rein katholischen Bruder­schaft beitraten.

 

Die Befreiungskriege 1813 -1815 gegen Napo­leon und die Revolutionen von 1848 hatten ei­nen neuen Zeitgeist geschaffen. Es war auch die große Zeit der Vereinsgründungen in Deutsch­land. Nicht nur die Turn- oder Gesangsvereine entstanden sondern auch viele Bruderschaften. Der preußische Militarismus ging nicht spurlos an den Vereinen und Bruderschaften vorbei. So pflegte man militärische Übungen wie Schießen und Marschieren. Die Einteilung in Schützen und Offiziere findet hier ihren Ursprung. Auch das Schießen auf Scheibe und Vogel wird populär. Die Müscheder Bruderschaft führt ein Register, in dem alle Könige ab 1851 aufgeführt sind. Spä­testens ab diesem Jahr hat es beim Hubertus-fest in Müschede, aus dem sich das Schützen­fest entwickelte, einen Schützenkönig gegeben. Das Königssilber, die vom jeweiligen König ge­stiftete Plakette oder Medaille, ist seit 1851 er­halten geblieben. Zeitlich zusammen fällt damit auch die Umbennenung von Hubertus-Bruder-schaft in Hubertus-Schützenbruderschaft.

Trotz allem Zeitgeist mit seinen gesellschaftlichen Veränderungen blieb die Bruderschaft der katho­lischen Kirche eng verbunden. Bereits 1871/72 verkaufte man zwei der drei Parzellen um den Erlös von 690 Talern für den Neubau der Müscheder Kirche zu stiften. Die Stiftung einer neuen Orgel durch die Bruderschaft erfolgte 1900/1901. Die Unterhaltung der Vikare und die damit verbundene Finanzierung der Gottesdien­ste, eine der wesentlichsten Aufgaben der Bru­derschaft von Beginn an, entfiel endgültig ab 1897, als mit Vikar Kaspar Heinemann ein stän­diger Vikar nach Müschede kam. Die Gemeinde hatte sich für das Jahresgehalt und freie Woh­nung des Vikars verbürgt.

 

Da die Original-Protokollbücher, beginnend mit dem 24.4.1894, vorliegen, kann seit dieser Zeit auf gesicherte Fakten zurückgegriffen werden. Bis zum ersten Weltkrieg sind einige interessante Ereignisse zu nennen. Das Jubiläumsjahr 1900 feierte die Bruderschaft wie ein normales Jahr. Es gab kein Jubiläumsfest und keinen Jubiläums­festzug. Es wurden jedoch diejenigen Mitglieder geehrt, die 50 Jahre Mitglied waren. Sie erhiel­ten zum Andenken ein Medaillon und wurden mit Wagen abgeholt, die dem Zug nebst Vorreitern angeschlossen wurden. 

 

1903 änderte man die Statuten. Im gleichen Jahr verschob die Bruderschaft das Schützenfest wegen des Todes von Papst Leo XIII. Auch gab man den Vorsitz der Verwaltung der Kapellen­kasse an einen neu zu wählenden Kassenvor­stand ab. 1906 war die Bruderschaft 290 Mit­glieder stark und das Protokoll vom 15.7.1906 vermeldet die Einweihung der neuen Jünglings­fahne durch den Hochwürdigen Herrn Vikar Kaup, welcher bemerkte, daß diese neue Fah­ne auch bei Beerdigungen von Jungfrauen soll benutzt werden.

 

Lange Debatten und Streitigkeiten mit Behörden gab es um das Korporationsrecht (Vereinsrecht). Die Bruderschaft wird eingetragener Verein (e.V) und am 9. August 1910 erfolgt der Eintrag beim Königlichen Amtsgericht zu Arnsberg unter der No. 14. Die Satzung vom 12. April 1910 wird hin­terlegt. Auch fallen viele Verbesserungen des Festplat­zes in diese Jahre und 1913 entsteht durch Überdachungs-Baumaßnahmen zum ersten Mal eine "Schützenhalle".

 

In den leidvollen Jahren des ersten Weltkrieges fielen alle Schützenfeste (1915-18) aus. Auch das Fest 1919 wurde abgesagt und zwar wegen "trauriger Zeitverhältnisse". Viele Schützenbrüder ließen in diesem Krieg ihr Leben.

 

Das 475-jährige Jubiläum 1925 feierte die Bru­derschaft in bescheidenem Rahmen. Das Protokollbuch nennt als einzigen Punkt einen Fackelzug, der am Vorabend des Schützenfe­stes durch die Hauptstraßen des Ortes zog.

 

Kaum Nennenswertes gibt es bis zum Beginn der Herrschaft des Nationalsozialismus. Das sollte sich aber spätestens 1934 ändern. Das zwischen dem Heiligen Stuhl und der neuen deut­schen Reichsregierung abgeschlossene Konkor­dat von 1933 garantierte den katholischen Ver­bänden und Organisationen zunächst ihr Eigen­leben und stellte sie unter den besonderen Schutz der Regierung (§ 31). In den Auslegungs­grundsätzen zu diesem Paragraphen heißt es jedoch: sie (die katholischen Verbände) so//er? auch ihre bisherigen Satzungen beibehalten, es sei denn, daß in diesen Satzungen Zwecke vor­gesehen wären, die dem neuen Staat an sich zuwiderlaufen. Damit war der Konflikt schon vor­programmiert. Die zunehmende Gleichschaltung aller freien Verbände mit den nationalsozialisti­schen Organisationen führte dann zur allmähli­chen Auflösung der katholischen Bruderschaf­ten. Dies geschah im Rahmen des "Erlasses zur Entkonfessionalisierung des öffentlichen Lebens" und im Zuge der Vereinheitlichung des deutschen Schießsportwesens.

 

Mit der Generalversammlung vom 25. März 1934 begannen auch für die Bruderschaft schwere Jahre. Punkts der Tagesordnung sah die Gleich­schaltung der Bruderschaft vor. Der bisherige Hauptmann Wilhelm Daum trat mit dem gesam­ten Vorstand zurück. Als neuer Hauptmann wur­de Josef Peetz gewählt und vom Ortsgruppen­leiter der NSDAP Pg (Parteigenosse) Minden anerkannt. Statt Hauptmann nannte sich Peetz nun Führer. Der Beirat (Vorstand) wurde nichl mehr gewählt sondern von Peetz ernannt. An­schließend verpflichtete der Führer den Beirat, im Sinne des Kanzlers und zum Wohle der Bru­derschaft zu arbeiten. Nach Absingen der er­sten Strophe des Horst-Wessel-Liedes und ei­nem Sieg-Heil auf den Führer wurde die Ver­sammlung geschlossen. Auch die Vorstandssit­zungen sollen für lange Zeit mit einem dreifa­chen Sieg-Heil auf den Führer enden.

 

In den kommenden Jahren nahm die Bruder­schaft regelmäßig am Opferschießen zu Gun­sten des Winterhilfswerks teil. Dies geschah gewöhnlich auf Anordnung des Gauschützen­bundes.   Am 26. März 1939 wurde Josef Kleinschnittger vom Ortsgruppenleiter der NSDAP nach Rücksprache mit der NSDAP-Kreisleitung zum neuen Führer (Hauptmann) der Bruderschaft bestimmt. Mit Beginn des Krieges wurden Soldaten und Arbeitsdienst beitragsfrei gestellt. Auf der Generalversammlung am 14. Juli 1940 gab der Vereinsführer bekannt, daß 74 Schützenbrüder im Dienst des Vaterlandes ste­hen. Auf der gleichen Versammlung beschloss man die Annahme der neuen Satzungen des NSRL (Nationalsozialistischer Reichssportbund für Leibesübungen). Obwohl 1939 beschlossen wurde eine Reichsbundfahne anzuschaffen und Angebote dafür angefordert werden sollten, ist nirgendwo verzeichnet, ob diese nun tatsächlich gekauft wurde.

 

Das letzte Protokoll im Krieg datiert von der Vor­standssitzung am 4. Juli 1941 abends 20 Uhr im Schützenhof. 1947 wird der 2. Geschäftsführer Leo Reuther den Vermerk ins Protokollbuch schreiben: In der Zeit von 1941/1947 keine Ein­tragungen, da durch Kriegseinwirkungen, anseht. Besatzung jede Vereinstätigkeit ruhte. Auch wur­de seitens der Besatzung die Schützen­bruderschaft als Verein aufgelöst und verboten.

 

Nachdem die Behörden der britischen Besat­zungstruppen das allgemeine Vereinsleben wenn auch unter bestimmten Auflagen und Einschrän­kungen wieder genehmigte, nahm auch die Müscheder Bruderschaft die aktive Arbeit wie­der auf (Protokoll vom 26. Mai 1947). Inzwischen war man der Erzbruderschaft des Heiligen Sebastianus beigetreten die man jedoch einige Jahre später aus Kostengründen wieder verließ. Im gleichen Jahr lösten neue Statuten diejenigen des NSRL ab. Wegen der bevorstehenden Währungs­reform am 20. Juni 1948 verschob man das Schüt­zenfest auf Ende Juli. Weil die Alliierten auch für Schützenfeste den Gebrauch von Gewehren ver­boten hatten, schoss man bis 1950 mit der Arms­brust auf den Vogel. 1951 half man sich mit dem Luftgewehr, bevor im darauffolgenden Jahr wieder scharf geschossen wurde.

Vordringliche Aufgabe war nun die Wiederherstel­lung der durch Brand und Lkw-Unfall stark be­schädigten Halle. Gleichfalls liefen die Planun­gen zum 500-jährigen Jubiläum 1950 an. Dieses vom Schützenbruder Heinrich Rehbein leitend or­ganisierte Fest feierte Müschede vom 8. - 10. Juli mit einem großen historischen Festzug, der den Müschedern unvergänglich in Erinnerung ge­blieben ist.

 

Bemerkenswert war Anfang der 50er Jahre der Streit mit der GEMA um die Höhe der Gebühren. Dieser konnte erst 1955 beigelegt werden. Die Schützenhalle erlebte, obwohl gerade erst erneu­ert, weitere Umbauten zu einer winterfesten Hal­le und auch für den Sportverein benutzbaren Turnhalle. Ab 1963 erfolgt das Königsschießen auf der neuen Vogelwiese (Schulte - Weber) mit dem neuen Schießstand. Die wachsende Mitglie­derzahl der Bruderschaft machte 1972 eine or­ganisatorische Änderung notwendig, und zwar die Einteilung In drei Kompanien. Bereits 1970 wurde die alte Uniform" des Vorstandes, der schwarze Anzug eingemottet. An seine Stelle trat der grüne Schützenrock mit Koppel und später der Jägerhut. Die neuen Säbel und Hirschfän­ger ersetzten die um die Jahrhundertwende an­geschafften Piken.

 

Der nächste Höhepunkt war das 525-jährige Ju­biläum 1975. Als Zwischenjubiläum fiel es na­türlich weitaus bescheidener aus als das große 500-jährige Fest. Besonderes Ereignis hierbei war die Einweihung der neuen gestifteten Männerfahne. Rechtzeitig vor dem Jubiläum konnte im Oktober 1974 der vollkommen neu erbaute Hallenkomplex eingeweiht werden.

 

Die Folgejahre waren geprägt durch aktive Vereinsarbeit. Freunde des Schießsports grün­deten 1963 die Schießsportgruppe und bauten den neuen Schießstand im Keller des Hallen­komplexes. Die aus der SGFF hervorgegange­ne Karnevalsabteilung wurde 1989 der Bruder­schaft angegliedert. Ein riesiges Arbeitspensum und große Geldbeträge investierte die Bruder­schaft in den 90iger Jahren, um den Hallen­komplex zu renovieren und den Erfordernissen einer modernen Halle anzupassen.

 

Wenn die Schützenbruderschaft St. Hubertus Müschede in diesem Jahr 2000 ihr 550-jähriges Bestehen feiert, dann kann sie mit Stolz auf eine lange Tradition zurückblicken. Die kirchliche und gesellschaftliche Entwicklung von Müschede ist von ihr nachhaltig mitgestaltet und geprägt wor­den. Die Bruderschaft ist sich seiner Verantwor­tung für Müschede auch in der heutigen "moder­nen" Gesellschaft bewusst, die einen stetigen Wandel äußerer Erscheinungsformen mit sich bringt. Die Werte, der die Bruderschaft seit ihren Anfängen verpflichtet ist, bleiben trotz allen Zeit­geistes unverändert bestehen:

 

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