St. Hubertus

von Rüdiger G. Wisse

 

Hubertus ist eine jener Heiligengestalten, deren Leben und Wirken fast völlig von der Legende überdeckt wird. Kaum jemand denkt bei der Nen­nung seines Namens daran, daß dieser Huber­tus als Bischof von Maastricht und Lüttich sehr viel für die Christianisierung getan hat. Haupt­sächlich als Missionar der Ardennen hat er sich die Verehrung als Heiliger erworben.

 

Der mächtige Hirsch, der zwischen dem Geweih ein strahlendes Kreuz trägt, und davor der knien­de Jäger Hubertus! Diese Szene, die jeder kennt, hat sich vornehmlich im Gedächtnis der Men­schen eingeprägt und wird heute überwiegend zur Darstellung des Heiligen genutzt.

 

Hubertus wurde um das Jahr 655 als erster Sohn des Herzogs Bertrand von Toulouse in Aquitanien geboren. Schon mit 20 Jahren wurde er Pfalz­graf Theoderichs III. von Burgund. Seine stren­ge, unparteiische Rechtspflege zog ihm jedoch die Feindschaft des gewalttätigen Hausmeiers Ebroin zu, der durch ein listiges Ränkespiel den Nebenbuhler vom Hofe verdrängte. Um sein Le­ben zu retten floh Hubertus zu seinem mächti-

Hubertus-Kelch, im Besitz der St. Hubertuskirche Müschede,

gestiftet von der Bruderschaft

de gab, ihn gemahnte, über den Dingen dieser Welt nicht das jenseitige Ziel des Menschen­daseins zu vergessen.

 

Diese Legende wurde erst im 15. Jahrhundert vom Heiligen Eustachius, der als römischer Offi­zier mit seiner Frau und zwei Söhnen im Jahr 118 unter Kaiser Hadrian den Märtyrertod fand, auf Hubertus übertragen.

 

Man kann sicherlich davon ausgehen, dass Hu­bertus durch den frühen Tod seiner Frau veranlasst wurde alle serne Ämter nieder zule­gen, aufsein Herzogtum zu verzichten, sein Ver­mögen unter die Kirche und die Armen zu vertei­len und sich dem Priesterstand zuwandte. Er ging nach Maastricht und wurde Schüler von Bischof Lambert, der ihn auch zum Priester weihte. In der Folgezeit wirkte Hubertus als Missionar in Brabant und den Ardennen. In der Bevölkerung trug er schon bald den Namen "Apostel der Ar­dennen".

 

Eine Reise zu den Gräbern der Apostelfürsten Petrus und Paulus führte Hubertus nach Rom. Dort erreichte ihn die Nachricht über die Ermor­dung seines väterlichen Freundes, des Bischofs Lambert in Lüttich. Papst Sergius l. weissagte ihm auf Grund eines Traumgesichts, dass er Lamberts Nachfolger sein würde.

Die Hubertusfigur an der Vorderfront der Kirche stellt den Hl. Hubertus als Jäger dar.

Sankt-Hubertus-Messgewand, gestifetet von der Bruder­schaft.

Restauriert von den Schulschwestern Arnsberg

gen Onkel Pippin (der Mittlere) von Heristal, dem mächtigen Beherrscher Austrasiens, des östli­chen Teils des Fränkischen Reichs.

 

Als Edelmann im Waffenhandwerk ausgebildet leistete Hubertus seinem Onkel beim Sieg über Theoderich in der Schlacht von Tertry 687 glück­liche Waffenhilfe. Nach der Schlacht einigte Pippin als Hausmeier das Frankenreich und si­cherte damit dem Geschlecht der Karolinger, dem Karl der Große entstammt, den Aufstieg. Als Dank für seine Dienste wurde Hubertus mit der Würde des obersten Palastbeamten und mit der Hand der Grafentochter Floribana von Lö­wen belohnt.

 

In Tervueren genossen beide ihr junges Glück. Doch schon bald starb Floribana bei der Geburt ihres ersten Sohnes. Vom Schmerz über diesen Verlust gebrochen suchte Hubertus Trost und Ablenkung von seinem Leid in den nahegelege­nen Wäldern der Ardennen.

 

Am Weihnachtstage, andere Quellen nennen den Karfreitag, soll sich der Legende nach die uns allen bekannte Szene abgespielt haben, die dem Leben des Hubertus eine entscheidende wen-

Weihrauchschwenker, 1900 von der Bruderschaft gestiftet

Zurück in seiner Heimat wurde Hubertus vom Klerus und Volk derTongerer Diozöse ordnungs­gemäß zum Bischof gewählt. Die Weihe zu die­sem Amt empfing er vom Kölner Bischof Giso.

 

Das Datum der Bischofsweihe ist nicht überlie­fert. Es dürfte jedoch um das Jahr 700 gewesen sein. Die Gebeine des Lambert ließ Hubertus nach Lüttich übertragen und errichtete an der Stelle, wo sein von ihm sehr verehrter Lehrer er­mordet worden war, eine Basilika. Für Lüttich, zu derzeit ein kleines Dorf, war dies der Beginn eines starken und schnellen Wachstums zu ei­ner bedeutenden Handelsmetropole und einem geistigem Zentrum am Ostrand der Ardennen. Hubertus ließ das schnell wachsende Lüttich mit Mauern umgeben, um es vor Überfällen zu schüt­zen. Die von ihm eingeführte strenge Preis­ordnung sorgte für gleichmäßigen Wohlstand und schützte vor wucherischer Ausbeutung. Heute würde man St. Hubertus auch als Ökonom und Verwaltungsfachmann bezeichnen.

 

Von Lüttich aus verstärkte nun Hubertus die Missionstätigkeit in den Ardennen. Sein Onkel Pippin hatte ihm zum Dank für die von ihm ver­mittelte Aussöhnung mit seiner Gemahlin Plektrudis den Hof Amberloux bei Andain ge­schenkt. Hubertus gestaltete ihn nun zu einem Kloster der Augustinerchorherren um und machte ihn zum Mittelpunkt der Ardennenseelsorge.

 

Eine Bittprozession durch die Flure vor Christi Himmelfahrt führte Hubertus ein. Die noch heu­te zu Beginn des Schützenfestes in Müschede durchgeführte Hubertusprozession findet hier ihren Ursprung.

 

Gezeichnet von den Strapazen seiner langen Christianisierungsarbeit erkrankte Hubertus nach der Weihe einer Kirche in Heverle bei Löwen stark und mußte auf dem Rückweg nach Lüttich in Tervueren das Krankenlager beziehen. Nach sechs Tagen erlag er am 30. Mai 727 allgemei­ner Erschöpfung. Mit 77 Jahren erreichte Huber­tus ein für die damalige Lebenserwartung un­gemein hohes Alter.


Die Stadt Saint-Hubert, anfangs Andage (Andain) gennant, führt ihre eigentlichen Anfänge auf eine Schenkung Pippins (des Mittleren) von Heristal, dem bereits erwähnten Onkel des Hubertus, An­fang des 8. Jahrhunderts, zurück. Auch wird in der Stadtchronik von Benediktinermönchen ge­sprochen, die dort eine bedeutende Abtei errichteten. Vermutlich waren diese die Nachfolger der Augustinerchorherren. Auch wenn die offiziellen Chroniken und Legenden in Detailfragen unter­schiedliche Aussagen treffen, so sind letztend­lich doch die wesentlichen Punkte fast deckungs­gleich.

 

Wirklichkeit und Überlieferung greifen gleichsam wie Zahnräder ineinander.

 

Die Benediktiner aus Andage waren es, die im Jahre 825 die Gebeine des Hubertus in ihre Klo­sterkirche überführten. Danach setzte eine star­ke Pilgerbewegung ein, die bis weit in das west­liche Europa reichte. Es war nur natürlich, dass die Stadt bald den Namen des Heiligen Huber­tus annahm und heute offiziell Saint-Hubert heißt.

 

Obwohl Hubertus nicht durch die Kirche heilig­gesprochen wurde, so wie wir das heute ken­nen, erwarb er sich durch sein Wirken und die tiefe Verehrung die Stellung als Heiliger. Das war zu der Zeit auch gängige Praxis in der Kirche. Die erste amtliche Heiligsprechung fand erst 993 mit der Aufnahme des Bischofs Ulrich von Augs­burg in das Verzeichnis der Heiligen statt. Die Klosterkirche, in der der heilige Hubertus nun begraben war, wurde im Laufe der Jahrhunder­te mehrfach um- und neugebaut, bis sie letzt­endlich zu der prächtigen gotischen Basilika im brabantianischen Stil wurde, wie wir sie heute sehen können. Der Ehrentitel Basilika wurde die­ser Kirche im Jahr 1927 durch Papst Pius XI aus Anlaß des 1200jährigen Todestages des Huber­tus verliehen.

 

All die Jahrunderte wurde Saint-Hubert vom Abt des Klosters mehr oder weniger unabhängig von weltlichem Einfluss regiert. Es war die Fran-zösiche Revolution, die 1796 diesen Zustand mit Gewalt beendete. Die Revolutionäre plünder­ten Stadt und Kloster. Seit der Zeit gelten die Ge­beine des Hubertus als verschollen.

 

Heute steht in der Basilika dem Hubertus zum Gedenken ein leerer Sarg, ein Geschenk des belgischen Königs Leopold l. zur Verehrung des großen Heiligen.

 

Nach Volksmund sollen sich die Gebeine des Hubertus doch noch im Kloster befinden, und zwar an einem geheimen Ort. Durch viele Um­stände, Brandschatzungen und Plünderungen ist die ursprüngliche heilige Stätte jedoch verwüstet.

 

Das kleine Ardennenstädtchen Saint-Hubert ist heute noch Mittelpunkt des Hubertuskults. An­fangs verehrte man den heiligen Hubertus als Missionar und Bischof. Obwohl die Legende mit der Hirscherscheinung erst im 15. Jahrhundert auf ihn übertragen wurde, erwählte man den Heiligen bereits im 10. Jahrhundert zum Patron der Jäger. Als solcher ist er hauptsächlich in un­serem Gedächtnis geblieben.

 

Ab dem 15. Jahrhundert nahm die Hubertus-verehrung noch einmal einen großen Auf­schwung. Grund hierfür war die Stiftung des Hubertusritterordens im Jahr 1444 durch den Herzog Gerhard von Jülich als Dank für seinen Sieg über den Herzog von Geldern. Erst jetzl setzte eine vermehrte Gründung von Bruder­schaften ein, die sich den heiligen Hubertus zum Namenspatron erwählten.

 

In diese Zeit, nachweislich ist das Jahr 1450, fälll die Gründung der Bruderschaft St. Hubertus Müschede, der achtältesten Bruderschaft dieses Namens in Europa. Meistens wird der heilige Hubertus als Jäger darge­stellt, mit Hund und Jagdhorn als Attribute. Sel­ten fehlt dabei der mächtige Hirsch. In Müschede ist dieses Motiv mehrfach zu finden: auf der Männerfahne, auf dem Holzreliefrechts im Ein­gang der Schützenhalle und an der Hubertuskirche in der 1937 von dem Mendener Bildhauer Wilhelm Hausmann aus Rüthener Sandstein ge­meißelten und 1938 geweihten Hubertusfigur.

 

Aber auch als Bischof ist der Heilige Hubertus in Müschede zu sehen. Auf dem Patronatsfest 3. November 1998 wurde während der heiligen Messe die neue Hubertusfigur in der Kirche ein­geweiht. Diese aus hellem Sandstein von der Künstlerin Anja-Maria Longenecker aus Schmallenberg geschaffene Statue ist, ebenso wie die Hubertusfigur an der Außenseite der Kir­che, ein Geschenk der Bruderschaft.

 

Ein prächtiges Messgewand, das Hubertusgewand, welches heute nur zu besonderen Anlässen,am Patronatsfest, getragen wird, zeigt den Bischof auf der Rückseite. In der Hubertuskapelle auf Gut Wichein steht ebenfalls eine Sta­tue des Hubertus als Bischof.

 

Auf der Bruderschaftsfahne sind ein geflochte­ner Korb mit dem Hubertusbrot, ein Becher für das Hubertuswasser sowie ein schwere! Brennschlüssel zu sehen. Diese drei Gegenstän­de erinnern an den alten Brauch zum Schüfe gegen Tollwut, der auch in Müschede lange in­tensiv gepflegt wurde (siehe Bericht über die Fahne der Schützenbruderschaft St. Hubertus Müschede). Die Tollwut wird noch heute in Bel­gien und Frankreich verschiedentlich "Mal de St. Hubert" (Krankheit des Hl. Hubertus) genannt.

 

Saint-Hubert ist heute nicht nur Ort der Vereh­rung des Heiligen Hubertus. Außer den vielen Pilgerfahrten, insbesondere die der Bruderschaf­ten aus vielen Ländern, gibt es verschiedene Jahrmärkte und historische Umzüge. Die Hubertusbruderschaft der Metzger, aus dem Mit­telalter stammend, lädt jährlich zum letzten Sonn­tag im September die belgischen und ausländi­schen Mitglieder zur Verehrung ihres Patrons ein. Dieses Datum wurde zum Gedenken an die Überführung der Gebeine in das Kloster im Jahr 825 gewählt.

 

Der 3. November eines jeden Jahres ist der Hö­hepunkt aller Wallfahrten und Verehrungen. Die große feierliche Messe zieht gleichermaßen gro­ße Massen von Gläubigen und Schaulustigen an. Nach dem Festamt werden die Tiere gesegnet. Es folgen in der Stadt viele Vorführungen und ein großer Jahrmarkt. 

Die Hubertusstatue in der Kirche nach der Einweihungsmesse am 3.11.1998